Wo Amerika endet und Amerika anfängt
Unterwegs in Kalifornien
„Für eine lange Zeit endete Amerika am Mississippi. Die europäischen Siedler, die ihr Glück in der Neuen Welt suchten, hatten keine Vorstellung davon, wie groß diese Neue Welt wirklich war und wenn es in deren Vorstellung jenseits des großen Flusses überhaupt noch etwas gab, dann konnte das höchstens unwegsame Wildnis sein. Später zogen die Menschen dann nach Westen, bis es nicht mehr weiterging und in den Berichten, die von Kalifornien aus zurück Richtung Ostküste gingen, wurden die Felder immer grüner und die Böden immer fruchtbarer. Daraus ist zweifellos das Bild vom Sehnsuchtsort Kalifornien geworden, das in gewisser Form auch heute noch Bestand hat.
Los Angeles
Es mag ja Menschen geben, für die L.A. eine Traumstadt ist, für uns ist sie das nicht. Sie ist auch nicht schön, in irgendeinem Sinne dieses Adjektivs. Wenn ich an Los Angeles denke, dann denke ich als erstes an Straßen mit vierzehn Spuren, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint. Zu den üblichen Touristendingen, die man hier so macht, gehören der Sunset Boulevard (weitgehend schmuddelig) und die Hand- und Fußabdrücke der Stars vor dem Chinese Theatre von Touristen überlaufen). An letzterer Station unserer Sightseeing-Tour stehen eine ganze Menge Leute, die einem irgendwas anbieten oder irgendwohin einladen wollen, zu Van-Touren zu den „Homes of the Stars“ zum Beispiel. In den Souvenirläden finden wir allerdings Landkarten, die von sich behaupten, ebenjene Häuser der Stars ebenfalls verzeichnet zu haben und so machen wir uns mit Karte und Mietwagen auf den Weg. Ob die eingezeichneten Informationen wirklich stimmen, können wir natürlich überhaupt nicht beobachten, aber immerhin führt uns diese Fahrt in hübsche Gegenden von Beverly Hills und Bel Air.
Beverly Hills gehört ja eigentlich nicht zu Los Angeles, sondern ist eine eigenständige Stadt, genauso wie Santa Monica zum Beispiel oder Malibu. Alle diese Orte besuchen wir auch noch während unseres Aufenthalts in der Gegend und tatsächlich ist das Umland von Los Angeles durchgängig sehenswerter und erlebnisreicher als L.A. selbst. In Culver City, ebenfalls einer der unzähligen Vororte der Metropole, erleben wir dann den besten Teil unseres Aufenthalts in der Gegend. Schon von zuhause aus hatte ich über eine Firma, die Publikum für TV-Sendungen beschafft, Tickets für die Aufzeichnung einer Folge einer Comedy-Serie beschafft. Mit rund hundert anderen Menschen sitzen wir dann im Studio und müssen manchmal lachen, wenn es gefordert wird. Allerdings merken wir später zuhause, als „unsere“ Folge im Fernsehen läuft, dass ohnehin Lachen vom Band eingespielt wurde. Nett ist aber, dass wir hinterher ein paar Minuten mit den Darstellern sprechen können und einer davon uns sogar ein signiertes Drehbuch von der eben aufgezeichneten Folge schenkt.
Zwischen den Küstenmetropolen
Natürlich: Big Sur. Auf dem Weg von Los Angeles nach San Francisco muss man einfach den Weg an der Küste entlang nehmen und dieses Highlight mitnehmen. Big Sur präsentiert sich genauso, wie man es erwartet: Eindrucksvoll, wunderschön und mit atemberaubenden Ausblicken ausgestattet. Allerdings, das muss fairerweise gesagt werden, andere Küstenabschnitte am Pazifik sind nicht weniger schön. Hier ist es die Kombination aus den schroffen, steilen Felsen, der wilden Natur, der elegant geschwungenen Bixby Bridge und dem Rauschen des Meeres, das eine so eindrucksvolle Kulisse schafft. Wenn man diesen Streckenabschnitt angehen will, sollte man aber kurz vorher die aktuelle Verkehrslage überprüfen – das geht zum Beispiel über Google Maps – denn wenn man in einer unendlichen Schlange aus Wohnmobilen gefangen ist, kann der Weg quälend lang werden.
Zum Glück haben wir einen vergleichsweise ruhigen Tag erwischt für diesen Abschnitt unserer Reise und so können wir auch Monterey richtig genießen. Der Ort wurde durch John Steinbeck berühmt gemacht, der über die Straße der Ölsardinen geschrieben hat. Diese Straße, die Cannery Row, ist links und rechts gesäumt von den alten Backsteinbauten, in denen früher massenhaft Sardinen in Dosen gepackt wurden. Wir wissen es zu schätzen, dass man bei der Umwidmung dieser Gebäude in Läden und Cafés behutsam vorgegangen ist. Die Cannery Row ist ein echtes Schmuckstück, auch wenn sie das touristische Zentrum des Ortes ist und man kann hier wundervoll bummeln und die Zeit verfliegen lassen. Es fällt zugegebenermaßen trotzdem ein bisschen schwer, sich gedanklich in die Zeit zurückzuversetzen, als Arbeiter in nach Fisch riechenden Klamotten die Straßen beherrschten. Das aber ist vielleicht ein typisch kalifornisches Problem. Der Bundesstaat ist insbesondere an der Küste wirklich beeindruckend schön, doch man ist sich dessen vielleicht zu sehr bewusst. Kalifornien, der Ort, an dem die Menschen früher ihren neuen Anfang ganz am Ende von Amerika suchten, ist heute eben mittendrin in Amerika.
San Francisco
In einem Aspekt präsentiert sich uns San Francisco ebenso wie zuvor Los Angeles: Auch hier verlieren wir uns fast zwischen den Touristenmassen. Aber klar, wenn man selbst diese touristischen Hotspots aufsucht, kann man sich schlecht über andere beschweren, die dasselbe tun. Das Wetter ist ein bisschen kühler hier, aber nicht unangenehm und im Gegensatz zu L.A. sind die Sehenswürdigkeiten, die wir hier ansteuern, alle einen Besuch wert. Wir fahren über die Golden Gate Bridge und die Ausblicke vom wohl bekanntesten Wahrzeichen San Franciscos entschädigen uns für die doch stolze Mautgebühr, die wir dafür bezahlen müssen. Wir fahren auch durch die Lombard Street und sind ganz allein, als wir die engen Kurven erst vorsichtig, dann ein bisschen mutiger herunterfahren. Beides sind Dinge, die man nicht unbedingt gemacht haben muss, die aber Spaß machen und eben zu San Francisco einfach dazugehören.
Eine wirkliche Empfehlung ist aus unserer Sicht dagegen der Ausflug nach Alcatraz. Bevor das Schiff ablegt, stehen wir mit vielen anderen am Geländer des Pier 17 und sehen den Seelöwen zu, die sich zu Dutzenden auf den hölzernen Anlegestellen aalen. Dann geht es hinüber zu der Gefängnisinsel, wo man einen Kopfhörer mit einer Audio-Tour in vielen Sprachen bekommt und das ist hier wirklich eine tolle Idee. Auf eigene Faust laufen wir durch die ehemaligen Zellen und erfahren dabei allerhand Wissenswertes über die Gefangenen und über die Geschichte der Insel, die noch viel mehr Facetten hat als nur die Gefängnisfunktion.
Nördliches Kalifornien
Zum Glück ist Kalifornien unheimlich vielseitig. Da gibt es diese riesigen Ballungsräume, von denen sich die Menschen angezogen fühlen. Es gibt die weltberühmten Strände, es gibt die Ideenschmiede der Welt im Silicon Valley und es gibt die selten von Touristen aufgesuchten weiten, grünen Flächen im fruchtbaren Central Valley, wo ein beträchtlicher Teil der amerikanischen Agrarproduktion aus dem Boden geholt wird. Und dann gibt es da noch den Norden des Bundesstaats, wo für uns der schönste Abschnitt Kaliforniens zu finden ist.
Von San Francisco bis nach Crescent City an der Pazifikküste kurz vor der Staatsgrenze zu Oregon sind es laut Routenplaner im günstigsten Fall etwa sieben Stunden Fahrt, doch zum Glück dauert es in Wahrheit viel länger. Zum Glück deshalb, weil das bedeutet, dass man an ganz vielen Stellen anhalten will und das ist dann auch das, was wir tun.
Point Reyes ist so ein Ort. Auch wenn man keine Seelöwen zu sehen bekommt, die hier im Schutzgebiet ein einigermaßen ruhiges Rückzugsgebiet gefunden haben, so lohnt es sich doch auf jeden Fall, hier anzuhalten und einfach mal eine Stunde spazieren zu gehen. Unten am Strand entlang zum Beispiel, wo man mit wunderschönen Blicken auf eine wirklich malerische Küste belohnt wird. Im Laufe unserer Reise werden wir noch etliche Küstenabschnitte am Pazifik zu sehen bekommen und obwohl man es vermuten könnte, kriegt man davon nicht genug. Raue Felsen, gegen die das Wasser braust; mal mehr, mal weniger vehement; dazu kleine Felsinseln ein paar Meter vor der Küste, immer mal wieder Strände, dazwischen Grün und einzelne Stücke von Treibholz, die manchmal so aussehen, als seien sie extra für unseren Blick so arrangiert worden. Kaliforniens Küste oberhalb von San Francisco ist wunderbar und an den allermeisten Abschnitten wirkt sie frei von all den negativen Einflüssen, denen unsere Ozeane so ausgesetzt sind – aber das kann natürlich auch täuschen.